Gedenkstättenfahrt des 11. Jahrgangs
„Man muss wissen und sehen, und man muss sehen und wissen. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Wenn Sie nach Auschwitz fahren, ohne etwas über Auschwitz und die Geschichte dieses Lagers zu wissen, sehen Sie nichts, verstehen Sie nichts.“ Mit diesen Worten beschrieb französischer Regisseur und Drehbuchautor Claude Lanzmann, bekannt für seinen preisgekrönten Holocaust-Dokumentarfilm „Shoa“, seinen Besuch im ehemaligen Konzentrationslager.
Wir selbst – die Schüler*innen des 11. Jahrgang – betraten Auschwitz am vierten Tag unserer Gedenkstättenfahrt. Bereits der erste Eindruck ist erschütternd. Wir standen in Gruppen von vielleicht dreißig vor den Eingangstoren, die mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ versehen sind. Das „B“ von Arbeit ist falschherum angebracht – ein stiller Protest eines polnischen, inhaftierten Kunstschlossers, wie uns die Expertin berichtete, die uns durch die Lager Auschwitz und Birkenau führte. Acht Stunden verbrachten wir insgesamt in den ehemaligen Konzentrationslagern sowie den nach der Kriegszeit auf dem Gelände eingerichteten Museen und Gedenkstätten.
In den Wochen zuvor behandelten wir, wie jeder elfte Jahrgang vor uns, intensiv die Thematik der NS-Zeit. Zusätzlich nutzten wir drei Schultage in der Woche vor unserer Abfahrt als intensive Vorbereitungstage, an denen wir einen Ausflug zum Haus der Wannsee Konferenz – dem „Haus der Täter“ – unternahmen und uns mit dem Film „Schindlers Liste“ auseinandersetzten, dessen Fabrik wir uns später während der Gedenkstättenfahrt ansahen.
Zu dieser gehört nicht nur der Besuch der ehemaligen Konzentrationslager, sie beinhaltet auch den dreitägigen Aufenthalt der Stadt Krakau, bei dem wir im zentrumsnahen „Vienna-Hotel“ untergebracht waren. Während dieser drei Tage hatten wir dank des Ausflugs in Schindlers Fabrik, einer Führung durch das jüdische Viertel „Kazimierz“ und des Besuchs der Synagoge sowie des angrenzenden Friedhofs Gelegenheit, einen Einblick in das Leben der heutigen jüdischen Gemeinde in Krakau zu erlangen.
Wir machten zudem einen kleinen Abstecher in den Stadtteil „Nowa Huta“, der unter sowjetischer Einflussnahme erbaut wurde und ein eindrucksvolles Beispiel für den Baustil des Sozialistischen Klassizismus ist.
Neben den geschichtlichen Aspekten der Fahrt hatten wir außerdem reichlich Zeit, auf eigene Faust die lebendige Stadt zu entdecken, die mit ihrem wunderschönen Zentrum und den vielen Cafés, Bars und kleinen Läden auch als heimliche Hauptstadt Polens gilt.
"Dies ist keine Ausstellung, dies ist keine Kunst, dies sind Worte, die in eine Zeichnung eingeschlossen sind. Bitte lesen Sie diese Worte, die ich 50 Jahre lang nicht auszusprechen vermochte." - Am Abend des letzten Tages besuchten wir die Ausstellung des polnischen Künstlers Marian Kołodziej, der seine Gefangennahme in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz und Birkenau überlebte und Jahre später grafisch festhielt. In der zutiefst bewegenden Ausstellung sind die Schrecken und Leiden seiner Haftzeit in insgesamt 374 Werken in unglaublichem Detail festgehalten. Aber es sind besonders die Werke, die Akte der Menschlichkeit thematisieren, die in Erinnerung bleiben. Geschichten von Häftlingen, die sich für andere opfern oder ihr Leben aufs Spiel setzen, um anderen zu helfen, um sich dem Regime zu widersetzen.
Vor dem Ausgang im letzten Raum der Ausstellung liegt eine Zeichnung von abgemagerten Häftlingen und der Aufschrift „pro Memoria“ – für die Erinnerung – auf dem Boden, geschützt durch bereits leicht zersprungenes Glas. Jede Person, die den Raum verlässt ist angehalten, symbolisch auf die Zeichnung treten und sich beim Weitergehen die zahllosen Opfer der Zeit des Nationalsozialismus vor Augen zu rufen und das Versprechen abzugeben, dass sich dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte nie wiederholen wird.
Xenia Harms und Paola Marczinski